Während das Familienrecht im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) im vierten von fünf Büchern ab § 1297 BGB behandelt wird, befasst sich das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) - das generell auch moderner und besser lesbar ist als das BGB - schon in seinem zweiten Teil ab Artikel 90 mit der Familie und über Hunderte von Artikeln insbesondere mit den Kindern.

Der Fokus auf Familie und Kind macht sich auch in der Behördenstruktur bemerkbar. Selten sind die Jugendämter in Deutschland Thema der öffentlichen Debatten, während in der Schweiz aufgrund der sehr hervorgehobenen, teilweise den Gerichten sogar übergeordneten Stellung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) häufig darüber gesprochen wird. Manchen greift "die KESB" häufig viel zu spät ein, manchen aber auch viel zu früh und viel zu streng, so nach meinem persönlichen Empfinden. Hintergrund könnte nicht zuletzt eine globalsozialistische Agenda sein, den staatlichen Zugriff auf den Nachwuchs möglichst wirksam zu gewährleisten. 

Durch die bedeutsame, den Gerichten zumindest gleichgordnete Stellung der KESB in der Schweiz wird nicht zuletzt auch Vorschub dazu geleistet, dass die schmutzige Wäsche bei Ehescheidungen weiterhin in der Behördenöffentlichkeit ausgetragen wird, wenn auch nicht mehr so sehr bei den Gerichten.

 

I. Vorgehen gegen unverhältnismäßige Maßnahmen der KESB

Während in der Schweiz dem freien Willen und der Privatautonomie des Einzelnen im Vergleich mit Deutschland generell mehr Wert beigemessen wird, greifen Schweizer Behörden im Falle von Kindern schneller zu und werden mitunter sogar übergriffig, so dass sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger zur Wehr setzen.

Betroffen sind immer Familien, die nicht der Norm entsprechen, bei denen ein Elternteil oder ein Kind auffällig geworden ist. Gemessen wird dies aber letztlich an Standardvorstellungen etwa der eingesetzten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern. Vorschnell wird in der Praxis zu einstudierten theoretischen Schubladen gegriffen. Was in Berlin oder Bremen als Normalfamilie gelten könnte, ist in einigen Kantonen eher ein Fall für ein Besuchsverbot oder sogar eine Fremdplatzierung.

Wie etwa viele Menschen unschuldig in Haft sitzen, gibt es aber eben auch unverhältnismäßige Maßnahmen der KESB. 

Ich empfehle in beiden Fällen ein zweigleisiges Vorgehen.

Man sollte zum einen - Gleis 1 - jeweils das beste aus der Situation machen, wozu insbesondere auch eine Befassung mit den Zielen der Behörde, ihren Leitlinien und ihrer Funktionsweise gehört, aber auch eine kritische Selbstreflexion der eigenen Person und Lage. 

Zum anderen sind auf Gleis 2 die gegebenen Rechtsmittel auszuschöpfen, wobei Fristen unbedingt einzuhalten sind. Je besser man sich in die KESB hineinversetzen kann, umso höher die Aussicht darauf, sich von etwaigen unverhältnismäßigen Maßnahmen mithilfe der Rechtsmittel wieder befreien zu können. Je später Sie damit aber anfangen, umso mehr belastende Berichte und Informationen können sich bereits in der Akte Ihres Kindes angesammelt haben und umso schwerer fällt dann eine Überzeugung der maßgeblichen Stellen.

 

II. Der Kampf ums Kind: Neues Verschuldensprinzip?

Von Friedemann Schulz von Thun (Miteinander reden, Hamburg 1981) sind in Bezug auf die menschliche Kommunikation vier Ebenen differenziert worden. Sowohl auf Senderseite einer Botschaft als auch auf Empfängerseite gibt es in der Theorie

1. die Sach-Ebene,

2. die Beziehungsebene,

3. die Selbstoffenbarungsebene und

4. die Appell-Ebene.

 

Bei inkongruenter Vermischung oder Verwechslung dieser Ebenen der Kommunikation treten oft Störungen und Konflikte auf. 

Das Modell von den Vier Ohren kann helfen, die jeweilige Situation zu klären und die Kooperation zu steigern, was in der Regel zu mehr Miteinander statt Gegeneinander führt. Wenn der Empfänger einer Nachricht also zum Beispiel rechtzeitig erkennt, dass der Sender lediglich sich selbst offenbart und keine Beziehungsbotschaft senden wollte, verbietet sich jegliche Aufregung.

 

Ebenfalls vier Ebenen werden bei Familien mit einem Kind oder mehreren Kindern unterschieden, und zwar

1. die Individual-Ebene,

2. die Paar-Ebene,

3. die Eltern-Ebene und

4. die Kindesebene.

 

Das Kindeswohl gebietet ein Gleichgewicht dieser Ebenen. 

Zum Austragen eines Konfliktes darf nach diesem Modell das Kind niemals aus der Kindesebene in die Paar-Ebene geraten. Und die Eltern haben zu trennen zwischen der Paar-Ebene und der Eltern-Ebene. Wird das Kind in einen Ehestreit hineingezogen, droht ein Loyalitätskonflikt und damit eine Kindeswohlgefährdung.   

 

In der Schweiz wurde im Jahre 2000 die verschuldensunabhängige Scheidung eingeführt (in Deutschland bereits 1977). Seither soll die Verschuldensfrage ohne Bedeutung für die gegenseitigen Ansprüche und auch Rechte und Pflichten gegenüber vorhandenen Kindern sein. 

Ziel war es, unsägliche Rosenkriege und das öffentliche Wäschewaschen einzudämmen. Gerichte waren bis dato nicht selten dazu benutzt worden, die Partnerin oder den Partnern zu framen und zu diffamieren. Seitdem das individuelle Verhalten innerhalb einer Ehe - etwa mangelnde Treue, fehlende Zuwendung oder Suchtverhalten - für die Scheidung selbst bedeutungslos geworden ist, können sich die die Beteiligten besser auf die Sach- und Rechtsfragen fokussieren.

 

Im Bereich der elterlichen Obhut und elterlichen Sorge ist indessen eine Bedeutungszunahme des jeweiligen persönlichen Verhaltens  zu beobachten und eine zunehmende Emotionalität entsprechender Auseinandersetzungen. Als Kompensation für die fehlende gerichtliche Bühne wird in der Schweiz die KESB als Austragungsort und Mittel der Katharsis benutzt. Wir erleben mithin ein Wiederaufleben des Verschuldensprinzips, wenn es um die Kinder geht.

 

III. Empfehlungen

Den Amtspersonen der KESB sind solche Dynamiken indessen vertraut. Wenn eine Anzeige bei der KESB der Paar-Ebene zugeordnet werden kann, ist ein Einschreiten nicht zu erwarten und auch nicht geboten. Grundsätzlich ist davon dringend abzuraten, die KESB als eine solche Bühne zu missbrauchen. Vorwürfe, die der Gegenpartei gemacht werden, fallen gerne auch auf den Sender zurück. Vertrauen Sie andererseits darauf, dass Strategien der Gegenseite, Sie als Elternteil zu verunglimpfen, schnell durchschaut werden und holen Sie nicht zum entsprechenden Gegenschlag aus.

Beistandspersonen ist mit größtem Respekt zu begegnen. Verabredungen sind penibel einzuhalten, etwaige Fragen möglichst korrekt, aber kurz und bündig wie in einem Verhör zu beantworten. Zeigen Sie Kooperations- und Verbesserungsbereitschaft, aber verwechseln Sie Beistandspersonen niemals mit einem persönlichen Coach. Während Sie beim Coach Ihre Ängste und Sorgen und andere persönlichen Themen in der Regel vertraulich und gefahrlos besprechen können, droht bei einer solchen Preisgabe gegenüber den Berichtspersonen der KESB schnell eine quasi medizinische Diagnose für die Akte, die Ihnen Ihre Erziehungsfähigkeit abspricht.