Miteinander statt gegeneinander – Tagung über den Konflikt am Bau

Anlässlich der Einweihung meiner neuen Kanzlei am 20.2.20 fand an meinem Standort eine interdisziplinäre Tagung über die Konfliktlösung und Konfliktvermeidung im Baurecht mit Spitzen-Referentinnen und Referenten und Gästen aus ganz Deutschland statt.

Die Tagung wurde durch Albrecht Merkle (Stuttgart/Hannover) eröffnet. Merkle spannte in seinem ebenso informativen wie aktivierenden Vortrag einen großen Bogen, ausgehend von der Feststellung der steigenden Komplexität des Bauens bis hin zur Konfliktlösung aus der Makro-Perspektive.

Wesentliche Kernaussagen seines wunderbaren Buches „Baukonflikte verstehen und umgehen – neue Wege der Kooperation“ – erschienen 2017 im Fraunhofer IRB Verlag – wurden erläutert und in der anschließenden Diskussion weiter vertieft, wie insbesondere der dort näher ausgeführte Konflikt-Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. Nach Merkle kommt es entscheidend darauf an, dass jede und jeder Baubeteiligte auch für die oder den anderen mitdenkt und nicht lediglich seine eigene Haut zu retten versucht. Die Vogel-Strauß-Mentalität führt zu unverhältnismäßig hohen Schäden.

Im Anschluss an Merkle fasste Dietmar Ludolph aus Halle an der Saale auf unnachahmlich unterhaltsame Art die fünf Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung nach der Streitlösungsordnung für das Bauwesen – SL Bau – der Deutschen Gesellschaft für Baurecht zusammen. Die aktualisierte und um das Schiedsgutachtenverfahren erweiterte neue Fassung der SL Bau wurde am 1.7.2016 veröffentlicht. Die SL Bau bietet neben den Verfahrensregelungen auch konkrete Mustertexte an. Die über hundertjährige Vorgeschichte zur SL Bau wurde skizziert. Der Vortrag endete mit einem kleinen Werbeblock für das Landgericht Halle mit seiner opulenten Innenausstattung.

Mike Große aus Berlin stellte sodann juristisch sauber und inhaltsreich den neuen Entwurf der Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten – SOBau – der ARGE Baurecht vor. Zuletzt 2009 aktualisiert wurde die SOBau inzwischen grundlegend überarbeitet. Gegenüber der SL Bau bietet sie Vor- und Nachteile, die im Einzelnen diskutiert wurden. Die SOBau ist zentrales Thema der Frühjahrstagung der ARGE Baurecht in Leipzig 2020 und soll dann nach etwa nötigen weiteren Anpassungen veröffentlicht werden. Den Sachverständigen wird in der SOBau zum Teil die Auslegungshoheit über den Vertragsinhalt gewährt.

Wie grundlegend anders die Mediation funktionieren kann und wo sie sinnvoll ist entnahmen die etwa 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschließend dem Vortrag von Andreas Friemel aus Everswinkel. Mängel sind häufig verletzte Bedürfnisse der Bauherren. Dies wird anhand der Bedürfnispyramide nach Maslow veranschaulicht. Die Eskalationsstufen des Konflikts nach Glasl zeigen, ab wann und bis wann Mediation in Konflikten sinnvoll ist, was anhand des Baukonflikts veranschaulicht wurde. Interessant war, dass Andreas Friemel in diesem Zusammenhang ausdrücklich von Heilung sprach. Mediation hat aber auch Grenzen. Einerseits bleibt ein Mangel bleibt ein Mangel und kann nicht hinweg mediiert werden. Andererseits soll kein Freibrief erteilt werden für einen neuen Volkssport, den des Einbehalts.

Kirsten Wiese aus Bremen erweiterte den Horizont der Tagung, indem die Rolle der Polizei in Konflikten beleuchtet wurde. Ob die Polizei überhaupt kommt, wenn man sie ruft, liegt in ihrem Ermessen. Einen Anspruch auf einen Polizeiwagen gibt es nicht einmal im Falle der Baugefährdung – wie im interaktiven Vortrag von Kirsten Wiese anhand eines von Daphne Schulte eingebrachten Beispiels deutlich wurde.

Susanne Neumann aus Münster fokussierte sich dann auf die Mikro-Ebene der Konflikte. Konflikte lösen sich nach Susanne Neumann leicht, wenn beide Parteien präsent und im Hier und Jetzt sind. Sind aber emotionale Dramen, alte (Schmerz-)Erfahrungen oder Angst und Projektionen vorhanden, wird das eigentliche Problem schwer lösbar und ein Rechtsstreit kompliziert. Um die Sache an sich betrachten zu können, müsse man aus diesen Dynamiken aussteigen.

In den jeweiligen Diskussionen konnten die Gäste ihre eigenen Erfahrungen mit dem vorzüglichen Input der Referentinnen und Referenten abgleichen. Fachlich inspiriert konnte dann der kulturelle Teil der Einweihungsfeier mit Albrecht Selge und Beethov(e)n beginnen. Albrecht Selge las aus seinem neuen Roman Beethovn und als Gastgeber gab ich das Rondo “alla ingharese quasi un capriccio” – die Wut über den verlorenen Groschen – zum Besten.